Dipl.-Ing. Matthias Böhringer * Heuchelbergstr. 10, 74397 Pfaffenhofen '
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Bundeskanzlerin
Angela Merkel
Bundeskanzleramt
Willy-Brandt-Straße 1
10557 Berlin
Die Wirtschaft schlägt um sich
- Mensch und Natur müssen in Deckung gehen
Pfaffenhofen, 19.06.2012
Sehr
geehrte Frau Bundeskanzlerin,
wird das Wachstum auch nur ein wenig bedroht, schlägt die Wirtschaft um
sich. Mensch und Natur müssen dabei in Deckung gehen.
Im Frühjahr dieses Jahres wurde über die
gewünschte Elbvertiefung und das Nachtflugverbot des Frankfurter Flughafens
berichtet. Die stetige Elbvertiefung wie auch der stetige Flughafenausbau sind
Ausdruck einer autoritären Ideologie,
die nur Wohlstand durch Wachstum
kennt und den Kampf um Titel und Wettbewerbe in die Köpfe impft.
An
der Elbe steht also die 9. Elbvertiefung an. Die Fahrrinnentiefe soll von knapp 15 auf gut 17 Meter erhöht
werden. Bereits heute ist die Fahrrinne
über 10 Meter tiefer als das ursprüngliche Flussbett. Schon beim ersten
Einspruch wird der Ruf „Oh je, Hamburg könnte den Titel des zweitwichtigsten
Hafen in Europa verlieren“ laut. Wäre es wirklich so furchtbar einmal in diesen
Wettbewerben zu verlieren? Gesamtvolkswirtschaftlich sicher nicht und Hamburg
wird nicht untergehen.
Die Versprechungen sind ein Irrsinn. So
sollen Speicherbecken die Versorgung der
Obstbäume mit Süßwasser garantieren. Wer so etwas vertritt, hat nichts
verstanden worum es überhaupt geht. Die 9. Elbvertiefung wäre einfach endgültig
eine Vertiefung zu viel. Das würde die völlige Zerstörung des Ökosystems
bedeuten.
Sehr
geehrte Frau Bundeskanzlerin, was ist denn Ihre Vision? Nach der 9. Noch eine 10. und eine 11.
Vertiefung? Soll die Elbe gemäß einer exponentiellen Wirtschaftentwicklung über
25 m hinaus ausgebaggert werden? Gegen Tiefwasserhäfen kann Hamburg mit den 100
km langen Elbestrom nicht antreten.
Des
Volkes Zorn zogen die ignoranten Herren des Flughafens Frankfurt auf sich, als sie das bestätigende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
zum Nachtflugverbot kommentierten mit „Dadurch ist der Wirtschaftsstandort
Deutschland in Gefahr. Es könne nicht sein, dass ein Produktionsmittel ein
Viertel des Tages still steht.“ Geht’s noch? Die Gesundheit der Menschen ist in
Gefahr. Die Gebiete werden unbewohnbar.
Sehr
geehrte Frau Bundeskanzlerin, machen Sie doch bitte mal eine Rechnung über den
Wertverlust von Siedlungsgebieten durch Fluglärm.
Was
ist die Vision? Noch eine
Startbahn, um weiteres Wachstum zu ermöglichen?
Ich
habe an Sie geschrieben, da der Bund die Kompetenz über die Gesetzgebung der
Raumplanung hat und Sie die Führung über Ihr Kabinett haben. Mit Ihrer Autorität können Sie Prioritäten
zu ökonomischen und ökologischen Fragen setzen.
Der Entscheid über solche Fragen geschieht
heute sehr einseitig. Im sogenannten „öffentlichen Interesse“ werden die Interessen
der Bürger niedergebügelt. Das „ob“ eines Vorhabens steht nie zur Debatte.
Es wird allenfalls um einen Kompromiss gestritten. Bei solchen Kompromissen
geht derjenige, der für sein Vorhaben etwas erreichen will, regelmäßig als
Gewinner hervor. Natur und Mensch bleiben immer als Verlierer zurück, da sie
nur geben können. Dies ist auch dann der Fall, wenn von einer großen Wunschliste
die Hälfte des Landverbrauchs und der Belastung zusammengestrichen werden.
Die Halbwertszeit über die Wirksamkeit von
Vorhaben auf dem Arbeitsmarkt scheint mit der wirtschaftlichen Dynamik zu
sinken, Versprechungen über die „Schaffung“ von Arbeitsplätzen werden Geschichte.
Denn die heutige Fluktuation lässt Menschen an neue Arbeitsplätze ziehen. Wie
im Fall Nokia, werden aus dem Acker gestampfte Werke mit papiernen Strategien geschlossen.
Die
Energiewende ist nur eine Aufgabe. Eine viel größere Aufgabe ist die Wende in
der Wirtschaftspolitik, -lehre, - ideologie und –praxis. Wir müssen weg vom Wohlstand durch Wachstum und hin
zu einem Wohlstand, der sich über die Fähigkeit zu gedeihen definiert.
Längst ist dies sogar im ZDF-Heute
Journal angekommen. Im Frühjahr stellte Herr Kleber den Staat Butan vor, der
das Staatsziel Glück sein eigen nennt. Sie kennen ja nur Wachstum, an dem
längst nicht mehr jeder teilnimmt. Genau hier setzte Herr Kleber an. Er stellte
unsere Wirtschaftsweise mit dem Mantra „Wohlstand
durch Wachstum“ in Frage. „Längst führt das Wachstum nicht mehr zum
Glücklichsein“ , so Herr Kleber.
Wir haben nur eine Erde. Gerade Sie als
Naturwissenschaftlerin sollten wissen, dass die ewige steigende Belastung und
Ressourcenverbrauch nicht möglich ist. Wirtschaftswachstum beruht aber auf
Ausbeutung von Land, Material und ökologischer Belastung. Die mögliche
Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch ist eine Mär, die
keiner ehrlichen Rechnung standhält.
Gerne verweise ich auf das Buch „Wohlstand
ohne Wachstum“ von Tim Jackson. Es sollte zur Pflichtliteratur für Politiker
und Wirtschaftsweisen werden. Mit dem Untertitel „Leben und wirtschaften in
einer endlichen Welt“ ist die deutsche Übersetzung in der 3. Auflage 2011 im oekom Verlag erschienen. ISBN 978-3-86581-245-2
Ich behalte mir vor, eine Kopie dieses
Schreibens zur Verfolgung des Themas an den Spiegel zu schicken.
Mit freundlichen Grüßen,
Matthias Böhringer