Öffentlichkeitsarbeit

Leserbriefe an die Heilbronner Stimme (Stimme)

20.04.2017: Bewertung des Armutsberichts / Der Satz "Uns geht's doch gut" hinkt

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In der Heilbronner Stimme wurde am 13. April im Kommentar von Claus Schöner zurecht das Schauspiel moniert, wenn alle 4 Jahre das Kanzleramt brisante Passagen aus dem Armutsbericht streicht und am geschönten Bild heftige Kritik geübt wird. Doch dann schlägt sich Herr Schröder auf die Seite derer, die meinen, dass es uns, den Deutschen doch "ganz gut gehe". Des weiteren meint er dass die Ungerechtigkeiten, niedrigere Verdienste gegenüber den 90er Jahren mit mehr Chancengerechtigkeit bei der Bildung abgeholfen werden könnte.
Dabei liegt ein strukturelles Problem im deregulierten, privatisierten und von Billigheimern überzogenen Land vor.

Sehr geehrte Redaktion,
Der Satz "Uns geht's doch gut" hinkt und vernebelt Schwächen des seit den 1990ern deregulierten, privatisierten und von Billigheimern überzogenen Landes. Viele haben sich auf die Situation mit dem von Großunternehmen designten Leben und dem neoliberalen Staat eingelassen.
Die Marke Deutschland hat daran gelitten, dass sich eine Klasse von Angestellten mit BWL-Abschluss und Unternehmensberatern breit machten, die den Chefs Umstrukturierungen und Börsengänge ins Ohr flüsterten. Belegschaften arbeiteten fortan für Investorengesell-schaften mit phantasievollen Gewinnerwartungen. Marktführer McKinsey half mit schön klingenden Programmen wie "Fit for Future" unter dem Vorwand des Wettbewerbs, die Gier nach noch mehr Rendite auf dem Rücken der Arbeitnehmerschaft auszutragen.
Saturn machte "Geiz ist geil" salonfähig. Mit dem Preiskampf kam es zu einer Abwärtsspirale für Arbeitsplätze, Qualität der Produkte und Alltagskultur. Discounter mit stillosen Bauten wurden zum Standard, Metzgereien werden als Luxus eingestuft. Mit den kurz gegriffenen Argumenten "Schaffung von Arbeitsplätzen", "das ist der Markt" sind die Kommunen Discountern, Supermärkten, Fachmärkten, Fleischfabriken, Logistikzentren und Shoppingcentern mit der Bauleitplanung entgegengekommen. Überdimensionierte Bauten konnten verkehrsgünstig platziert werden. Ganze Stadtquartiere wurden für Shoppingcenter plattgemacht. Dass diese betriebswirtschaftlichen Vorteile Einzelner zum Nachteil Vieler wurden, wird nicht gesehen.
Mit freundlichen Grüßen,
Matthias Böhringer